Wie Blockchain das Lieferkettenmanagement verbessern könnte

Mit ihren weltweiten Lieferketten haben die Unternehmen dieser Welt ein «achtes Weltwunder» geschaffen. Ohne funktionierende Lieferketten wäre der beispiellose Wohlstand, den immer mehr Menschen rund um den Globus geniessen, undenkbar. Ereignisse wie COVID-19 oder die Suezkanal-Blockade haben dies sehr eindrücklich verdeutlicht.

Text: Gastbeitrag von Invesco
Blockchain

Die Notwendigkeit reibungslos funktionierender, nahtlos ineinandergreifender Lieferketten hat das Lieferkettenmanagement zu einer Herkulesaufgabe gemacht, der sich eine Vielzahl von Akteuren in einem immer grösser werdenden Ökosystem stellen. Die damit verbundene Komplexität fordert jedoch ihren Tribut. Eine grosse Schwachstelle des heutigen Lieferkettenmanagement ist der Mangel an Transparenz, der sich in einer geringen Flexibilität und Ineffizienzen für die Teilnehmer des Ökosystems niederschlägt. Das heutige Lieferkettenmanagement erfordert ein hohes Mass an Zusammenarbeit. Ein unzureichendes Vertrauen unter den Beteiligten entlang der Lieferkette erhöht die logistischen Gesamtkosten von Lieferkettensystemen.

Die Rettung: Blockchain

Mit der fortschreitenden Digitalisierung der Wirtschaft hat sich die Blockchain zu einem Hoffnungsträger für eine effektive Bewältigung einiger Herausforderungen des Lieferkettenmanagements entwickelt. Die Blockchain-Technologie ist eine neue Form von Konsensmechanismus, um in einem digitalisierten Umfeld eine Übereinkunft über bestimmte Werte, den Status von Transaktionen und Aktionen zwischen verschiedenen Akteuren zu erreichen.

Sie wird auch als «Distributed Ledger Technology» bezeichnet – als «verteiltes Register», in dem digitale Datensätze, Ereignisse oder Transaktionen in chronologischer Reihenfolge für alle Teilnehmer nachvollziehbar in Datenblöcken gespeichert (Block) und unveränderbar miteinander verkettet (Chain) werden. Als solches ermöglicht die Blockchain-Technologie eine transparente und zugleich sichere Dokumentation von Supply-Chain-Aktivitäten zwischen verschiedenen Beteiligten wie Lieferanten, Verkäufern, Händlern, Banken oder Versicherungsgesellschaften.

Eine Blockchain wird von ihren Netzwerkteilnehmern, die technisch als Netzknoten (Nodes) bezeichnet werden, aufrechterhalten und gepflegt. Da es sich bei der Blockchain um ein verteiltes System handelt, ist es sehr schwer, die erfassten Transaktionen und ihren Status zu manipulieren. Mit jeder Transaktion sind ein Zeitstempel und eine eindeutige kryptographische Signatur verknüpft. Dadurch ergibt sich eine leicht nachvollziehbare Transaktionshistorie. Jeder lese- (und schreibe-) berechtigte Netzknoten kann auf dieselben, zeitgleich aktualisierten Informationen zugreifen. Diese werden von allen Teilnehmern auf transparente Weise gemeinsam genutzt.

Vertrauensbildende Technologie

Die Einführung der Blockchain-Technologie in das Lieferkettenmanagement stärkt das Vertrauen zwischen den Beteiligten, da alle den gleichen aktuellen Statusüberblick haben. Die Blockchain ist zwar kein Allheilmittel zur Verhinderung von Betrug jeglicher Art. Sie bietet jedoch eine neue technologische Schiedsinstanz, an die man sich im Falle eines potenziellen Betrugs wenden kann.

Für den Fall eines Betrugs durch einen der Beteiligten an der Lieferkette bedeutet dies konkret: Da der gesamte Lebenszyklus der betreffenden Ware auf der Blockchain abgebildet wird, können Zeitpunkt und Ursprung des Betrugs nachträglich aufgedeckt und sanktioniert werden. Diese Transparenz über Waren in der Lieferkette gab es bislang nicht. Durch diese Möglichkeit des Manipulationsnachweises verändert die Blockchain die Anreize für alle.

Lösungen in der Praxis

Die Umsetzung von Blockchain-Lösungen im Lieferkettenmanagement ist kein theoretisches Wunschdenken mehr. Der Container-Riese Maersk und IBM haben bereits 2018 die auf der Blockchain-Lösung Hyperledger von IBM basierende TradeLens Plattform ins Leben gerufen. Diese ermöglicht verschiedenen Handelsteilnehmern einen sicheren Austausch relevanter Versandinformationen und sorgt so für eine einheitliche gemeinsame Sicht auf die Aktivitäten in der Versandlieferkette – ohne Abstriche an der Detailliertheit der Informationen, dem Datenschutz und der Vertraulichkeit.

Mit 16 Banken in 15 Ländern ist we.trade das grösste Netzwerk für Aussenhandelsfinanzierungen in Europa. Die ebenfalls auf der Hyperledger-Lösung von IBM aufbauende Plattform vereinfacht den grenzüberschreitenden Handel. Die Rechnungsstellung kann in Echtzeit über die Blockchain erfolgen. Da die Handelsfinanzierung automatisch über die Blockchain abgewickelt werden kann, kann möglicherweise auch auf Korrespondenzbanken verzichtet werden.

Mit der Lösung von we.trade werden Zahlungen in der Lieferkette automatisch ausgelöst, sobald die vorab vereinbarten, in die «Smart Contracts» einprogrammierten Bedingungen erfüllt sind. Zusammen mit der Nachverfolgung von Frachtbriefen über die Blockchain mindert dies das Kontrahentenrisiko.

Ein weiterer prominenter Anwendungsfall ist der von Adresta, einer Schweizer Fintech-Firma. Die Gründer des Start-ups widmeten sich der Problematik von Produktfälschungen in der Uhrenindustrie. Offiziellen Zahlen zufolge wurden 2018 23,7 Millionen Schweizer Uhren exportiert. Zur gleichen Zeit waren rund 40 Millionen – also fast doppelt so viele – gefälschte Uhren aus chinesischer Produktion im Umlauf.

Die Uhrenhersteller speichern den Hash-Wert (eine kryptographische Zeichenfolge) eines digitalen Zertifikats für jede produzierte Uhr auf der Swiss Trust Chain, einer von Swisscom und der Schweizerischen Post betriebenen Blockchain. Dies sorgt für mehr Transparenz und ein grösseres Vertrauen in die Echtheit der Uhren. Jeder Schritt – von der Herstellung über den Vertrieb an die Endverbraucher bis hin zum wiederholten Eigentümerwechsel – wird sicher in der Blockchain gespeichert. Dadurch lässt sich der aktuelle Status verifizieren, was die Betrugsmöglichkeiten verringert.

Regelmässige Einblicke in die Welt von Blockchain liefert der Newsletter «Invesco Unchained: Crypto and Markets» (in englisch)


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