Konsumtrends aus Asien zeigen immer mehr, wie sich globale Markenhersteller positionieren müssen. Die Faktoren Umwelt, Soziales und Governance gewinnen bei Konsumenten immer mehr an Bedeutung. Zudem erhält das Kaufverhalten der Millennials und der Generation Z immer eine grössere Bedeutung.
Text: Rino BoriniJuan Mendoza, viele aktive Fondsmanager haben Mühe, ihre Benchmark – nach Kosten – langfristig zu schlagen. Ihr Fonds jedoch hat den Weltaktienindex in den letzten fünf Jahren um fast 100 Prozentpunkte übertrumpft. Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Juan Mendoza Unser klarer Fokus. Wir investieren nur in globale Wachstumsunternehmen, die über eine führende, aufstrebende oder digitale Marke – oder ein Firmenportfolio mit solchen Marken – verfügen. Diese Firmen wachsen meist sehr schnell und sind global orientiert. Derzeit sind es meist Firmen aus den USA oder Europa, die insbesondere in China stark wachsen. Aber wir investieren auch in chinesische Marken, rund 20 Prozent des Fondsvermögen ist in chinesischen Wachstumsaktien angelegt. Dabei ist unser Standort in Hongkong sicher ein Vorteil.
Warum?
Einerseits spüren wir die für die internationale Marken immer wichtiger werdenden chinesischen Konsumenten viel besser, andererseits erkennen wir aufkommende Trends schneller und entdecken dadurch neue aufstrebende Marken im chinesischen Markt.
Wie gehen Sie im Investitionsprozess vor?
Wir beobachten ein Universum von über 350 Firmen und setzen dabei auf fundamentale Analysen sowie Treffen mit dem Management der Firmen. Die Erkenntnisse aus diesen Gesprächen sind für den Selektionsprozess sehr wichtig. Von den erwähnten 350 Firmen erfüllen derzeit rund 200 unsere strengen Anlagekriterien, die auch auf Nachhaltigkeitskennzahlen basieren.
Auch welche Kriterien achten Sie?
Eine nachhaltige finanzielle Lage, nachhaltige Geschäftspraktiken, die auf den ESG-Kriterien basieren, und ein nachhaltiges Geschäftsmodell. Beim letzten Punkt geht es um eine Unternehmensstrategie, die auf ein zukunftsgerichtetes, nachhaltiges Ertragsmodell setzt.
Auffallend ist, dass sich in den Top-10 der investierten Unternehmen einige Namen befinden, die wir in der westlichen Welt kaum kennen. Gehört asiatischen Topmarken die Zukunft?
Ja, davon gehen wir aus. Als wir den Fonds 2009 starteten, war das noch komplett anders. Die damaligen Topmarken kamen alle aus der «Old Economy». Auch heute noch stammen die meisten Firmen mit dem höchsten Markenwert aus den USA, insbesondere Unternehmen mit einem digitalen Geschäftsmodell wie Amazon oder Microsoft. Wir sind fest davon überzeugt, dass ein Unternehmen mit einer starken Marke in den kommenden zehn Jahren folgende drei Anforderungen erfüllen muss: digitale Vertriebskanäle, Orientierung auf den asiatischen Markt und nachhaltiges Vorgehen in allen Bereichen. Wir erwarten, dass die Mehrheit der Top-50-Markenfirmen diese Kriterien erfüllen wird. Und zu diesen werden auch immer mehr chinesische Marken gehören.
Okay, China ist wichtig und Nachhaltigkeit ebenso. Aber Hand aufs Herz: Wie nachhaltig sind chinesische Marken wirklich?
Es stimmt, dass chinesische Markenunternehmen von den traditionellen ESG-Datenplattformen oft tiefere Ratings erhalten. Aber man muss eben auch wissen, dass viele Unternehmen wenig über ihre Nachhaltigkeitsbemühungen publizieren. Zudem machen viele chinesische Firmen bei internationalen Nachhaltigkeits-Richtlinien und Empfehlungen nicht mit. Das heisst: Viele Datenanalysen sind ungenau.
Wie können Sie mehr Transparenz in den Dschungel bringen?
Wir nutzen zusätzlich alternative Modelle, die wir selbst entwickelt haben. Wir haben beispielsweise ein Tool, das Unternehmen daran misst, wie stark sie in den verschiedensten Szenarien ihre Treibhausgasemissionen reduzieren können. Wenn wir chinesischen Unternehmen analysieren, beobachten wir, dass sie nicht immer schlechter sind als ihre Konkurrenz aus Europa oder den USA. Natürlich ermutigen wir das Management bei unseren Treffen dazu, sich klare und überprüfbare Ziele in Bezug auf Nachhaltigkeit zu setzen. Diese Gespräche fruchten. Nicht vergessen darf man, dass China klimaneutral werden will. Das im Jahr 2020 gesetzte Ziel heisst: Netto-Null bis 2060.
Sie halten grosse Position bei Tesla und Ferrari, die etablierten Automarken aus Europa und den USA dagegen fehlen. Warum?
Wir denken nicht in Automarken, wir denken in Mobilität. Deswegen hält der Fonds die stärksten Marken im Bereich Elektromobilität, in den USA ist das Tesla, in China ist es Xpeng Motors. Aber zu diesem Universum gehören auch Marken aus dem Softwarebereich, die Lösungen für autonomes Fahren bieten. Und letztlich ist es halt schon so, dass traditionelle Automarken wie General Motors oder Mercedes umdenken müssen. Das sind riesige Veränderungen, die stattfinden werden. Und zu Ferrari: Das Unternehmen ist klein und agil und kann sich viel schneller anpassen, um Innovationen im Bereich Elektro- und Hybridfahrzeuge voranzutreiben.
Bei einem Blick auf künftige Antriebsmotoren verstehe ich ihr Investment in Tesla sehr gut. In den Top-10 Werten ist Ferrari enthalten?
Die Edelkarossen leben doch explizit von Benzin und Lärm. Ferrari verfügt über eine weltweit bekannte und starke Marke. Dazu kommt eine kleine Jahresproduktion von rund 11‘000 Fahrzeugen, was die Exklusivität fördert und eine äusserst loyale Kundenbasis schafft. Was man vordergründig nicht sieht: Ferrari ist enorm innovativ, verfügt über talentierte Mitarbeiter und vor allem eine starke Preismacht. Gerade letzteres ist enorm wichtig.
Wird Ferrari künftig auf Elektroantrieb setzen?
Chairman John Elkann betätigte, dass Ferrari in Zukunft auch über Elektrofahrzeuge verfügen wird. Wir erwarten, dass der italienische Autobauer in den kommenden zehn Jahren die Produktion, getrieben durch die neuen Antriebssysteme, bis auf rund 22‘000 Fahrzeuge verdoppeln wird. Das Wachstum wird zusätzlich befeuert durch die Expansion nach China. Das ist spannend. Im Zuge dieser Transformation spielt auch der Kosteneffekt eine wichtige Rolle. Die Kosten werden signifikant fallen, wenn der Benzinmotor durch Elektrotechnologie ersetzt wird. Analysten schätzen, dass die EBIT-Marge bei der Marke Ferrari bereits bei einem Elektrofahrzeug-Anteil zwischen 30 und 50 Prozent signifikant höher wäre.
Wir befinden uns in der digitalen Ära. Die Menschen kommunizieren über Social Media, bestellen ihr Essen über Apps und kaufen vom Sofa aus neue Kleider. Was bedeuten die Shifts im Konsumentenverhalten für Luxusmarken?
Social Media Apps verbinden die Luxusmarken direkt mit den Konsumenten, immer mehr Marken führen den Dialog mit Kunden direkt über diese Apps. Sie sehen das grosse Potenzial und treiben es über ihre eigenen Social-Commerce-Plattformen voran. Das traditionelle Geschäft wie auch der traditionelle Onlinehandel stehen im Wettbewerb mit den neu aufkommenden Social-Commerce-Plattformen.
Steigt der Anteil des Onlinehandels eigentlich auch bei Luxusmarken? Geht es, gerade bei hochwertigen Produkten, nicht auch um das Erlebnis im Laden?
Es ist schon so, dass die Konsumenten Luxusprodukte immer häufiger online kaufen. Bei den Luxusmarken besteht mit Blick auf den Onlinehandel ein enormes Aufholpotenzial. Doch dieses ist nicht vergleichbar mit einer Sportmarke wie etwa Nike. Der US-Sporthersteller wird in den nächsten zwei Jahren die Hälfte des Umsatzes online erwirtschaften, heute sind es etwas über 30 Prozent. Das vergangene Jahr hat den Trend, digital mit dem Kunden zu kommunizieren und zu verkaufen, zusätzlich beschleunigt. Für viele Marken wurde aus dem ehemaligen «Nice to have» eine Strategie.
Die Generation Y und Z wird künftig den Konsum bestimme. Sie ist einerseits digital aufgewachsen, andererseits wird sie in Zukunft zu neuem Reichtum kommen. Was sind die Folgen dieser Kombination für das Luxussegment?
Der Luxusmarkt wächst normalerweise zwei- bis dreimal schneller als die Weltwirtschaft. Die Chancen stehen gut, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird. Es ist jedoch sehr wichtig, die Generation Z zu verstehen: Sie fordert mehr Transparenz in Bezug auf Nachhaltigkeit und fühlt sich in der digitalen und bald virtuellen Luxuswelt wohler. Zudem wird das Konzept von Eigentum schon seit längerem mit neuen Sharing-Modellen auf den Kopf gestellt.
E-Sports und Gaming sind ebenfalls ein stark wachsender Markt. Einerseits verdienen die Spieler enorm gut, andererseits erreichen diese Branchen eine attraktive Konsumentengruppe. Nehmen Sie diesen Trend in ihrem Fonds auf?
Wie bereits erwähnt ist der Fonds in führende digitale Marken engagiert – uns gefällt der E-Sport-Markt. Wir sind in Bilibili investiert, das chinesische Youtube, dessen Eigentümer ein E-Sport-Team besitzt und E-Sport-Turniere veranstaltet. Zudem befindet sich auch Tencent im Portfolio, das in den letzten Jahren ein weltweit führendes E-Sport-Ökosystem mit Spielen wie «League of Legends» und Turniere mit Millionen von Zuschauern aufgebaut hat. Uns gefällt der Bereich E-Sports tendenziell besser, der sich nur in der digitalen Welt bewegt und nicht mit dem Sport in der realen Welt konkurriert.
Abschliessend: Welche Unternehmen schauen Sie sich derzeit genauer an – und warum?
Generell haben wir in der Strategie in den letzten Monaten zyklische Marken aufgebaut, vor allem im Segment Reisen , das wieder wachsen kann, wenn sich die Wirtschaft nach der Pandemie allmählich normalisiert. Wir suchen nach Unternehmen mit Ähnlichkeiten zu unseren aktuellen Positionen wie Hyatt Hotels und Marriott oder Unternehmen wie Booking.com.
*Der Schweizer Juan Mendoza ist Senior Portfolio Manager bei Lombard Odier Investment Managers. Er trägt die Verantwortung für den LO Funds – World Brands.